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  • Miri

NPL - Etappe 11: Alta bis Nordkap

Nachdem wir beim Frühstücksbuffet mal wieder viel zu viel gegessen hatten, legten wir uns zum Verdauen nochmal in die gemütlichen Hotelbetten. Dann packten wir unsere Rucksäcke wieder und brachten unser Paket mit den aussortierten Gegenständen in den Gepäckraum. Um kurz nach 10 Uhr starteten wir dann in unsere letzte Etappe. Schon verrückt, dass es jetzt nur noch ein paar Tage sind. Der Rückflug ist bereits gebucht und damit das Ende unserer langen Reise in Sicht. Mit gemischten Gefühlen liefen wir los.


Zuerst ging es relativ eben noch am Altafjord entlang. Als wir die meisten Siedlungen dann hinter uns gelassen haben, ging es langsam bergauf. Beim Blick zurück sahen wir noch ein letztes Mal den Fjord unter uns.



Irgendwie war es schon den ganzen Tag ziemlich düster heute und es schien auch nicht mehr heller zu werden. Also holten wir bereits nachmittags unsere neuen Reflektoren raus.




Die Landschaft, durch die wir liefen, war ziemlich trist und farblos. Immer wieder zogen Sumpfgebiete an uns vorbei und wir waren ganz froh, heute stattdessen harten Asphalt unter uns zu haben. Unsere Füße sahen das aber wohl etwas anders, denn schon nach ein paar Kilometern schmerzten sie ziemlich.




Bald darauf fing es zu tröpfeln an. Der Wind war ebenfalls immer stärker geworden und fegte uns mit 14 m/s um die Ohren. Laut Wetterbericht sollen es morgen sogar 22 m/s werden, also etwa 80 km/h. Dazu viel Regen. Das waren ja tolle Aussichten. Wo war nur die Motivation hin, die wir vor ein paar Stunden beim Aufbruch noch verspürt hatten?


Durch hügelige Landschaft ging es dann wieder bergab, bevor kurz darauf dann der nächste Anstieg folgte. Irgendwie war die Gegend in unserer Erinnerung viel flacher. Aber wahrscheinlich fallen einem die kleinen Steigungen mit dem Auto gar nicht so auf.





Die Sonne war inzwischen untergegangen und es dämmerte schon. Wir füllten noch unsere Wasserflaschen auf und suchten uns dann einen Zeltplatz etwas abseits der Straße. Leider fanden wir nichts wirklich windgeschütztes und so konnten wir nur hoffen, dass die Abspannung in dem weichen Boden hielt.





Schon in der Nacht hatte es wieder angefangen zu regnen und als der Wecker klingelte schüttete es wie aus Eimern und der Wind rüttelte kräftig am Zelt. Wir konnten uns einfach nicht überwinden aufzustehen und blieben noch eine Stunde länger liegen.


Noch im Zelt zogen wir dann unsere komplette Regenkleidung an und machten uns gegen 8 Uhr auf den Weg.




Der Wind war so stark, dass wir kaum geradeaus gehen konnten. Nach ein paar Kilometern kamen wir an einem Schild vorbei, das uns stöhnen ließ. Verbleibende Entfernung zum Nordkapp: 197 km. Wir überlegten schon, ob Hammerfest nicht auch ein cooles Ziel wäre… ;)



Immer weiter liefen wir durch Regen und Sturm und unsere Laune erreichte bald wieder einen Tiefpunkt. Lastwagen donnerten mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei und wir bekamen jedes Mal eine Ladung Wasser von der Seite ab. Überhaupt war hier noch viel mehr Verkehr, als wir in dieser Jahreszeit angenommen hätten und das Laufen auf der Straße machte keinen großen Spaß. Wieder war es die immer gleiche Landschaft, die an uns vorbei zog. Allerdings war unser Blick sowieso nur nach unten auf den Asphalt gerichtet und folgte ohne nachzudenken immer weiter dem weißen Begrenzungsstreifen.




Inzwischen waren wir schon wieder komplett nass bis auf die Unterwäsche. Irgendwie hielt unsere Regenkleidung nicht mehr wirklich, was sie verspricht. Meine Schuhe konnte ich in der Hinsicht eh vergessen. Aber was uns wirklich nervte, war, dass auch unsere neuen Winterhandschuhe, die bis jetzt immer wasserdicht waren, schon nach zwei Stunden aufgaben. Wahrscheinlich war es einfach zu viel Regen. Sie saugten sich immer mehr mit Wasser voll und unsere Hände schmerzten bald höllisch vor Kälte. Es hatte nur 3 Grad und der Wind ließ es noch kälter wirken.




Schon nach 15 Kilometern ging uns langsam die Energie aus. Da hatten wir in Alta wohl doch nicht genügend aufgetankt. Wir setzten uns an den Straßenrand und aßen ein paar Müsliriegel in der Hoffnung, sie würden uns wieder einen kleinen Energieschub verleihen.



Aber Pausen funktionieren bei so einer Kälte einfach nicht. Nach nur fünf Minuten waren wir so ausgekühlt, dass unsere Körper komplett steif waren, als wir wieder los gingen. Auch unsere Füße schmerzten ziemlich, bis sie nach ein paar Kilometern wieder einigermaßen warm gelaufen waren.


Wir hatten so gehofft, für die letzte Etappe einfach nochmal Glück mit dem Wetter zu haben. Die meisten aus unserer Gruppe waren mittlerweile schon am Ziel angekommen. Durch unsere Wiedereinstiegsetappe, bei dir wir langsamer wieder angefangen haben, und den Umweg über Kautokeino waren wir jetzt doch viel später dran als ursprünglich geplant. Wie gerne würden wir jetzt mit ihnen tauschen. Es einfach auch schon geschafft haben und gemütlich nach Hause reisen. Aber noch ist es leider nicht so weit und wir haben noch einige kalte Tage vor uns.


Links neben uns tat sich das lange Repparfjorddalen auf, durch das wir jetzt bis Skaidi laufen werden. Unsere Hände waren von den nassen Handschuhen inzwischen komplett verschrumpelt. Aber so war es immer noch wärmer als ohne Handschuhe.




Als sich die Dämmerung langsam ankündigte, schlugen wir an einem Rastplatz unser Zelt auf. Es war noch komplett nass von heute morgen. Ich wischte es grob von innen trocken und wir legten uns sofort in die Schlafsäcke.



Unser kompletter Rucksackinhalt war ebenfalls nass, genauso wie alles, was wir an hatten. Das war ja schon oft so, aber bei so niedrigen Temperaturen ist es doch nochmal was anderes. Wir fragten uns, wie viele solcher Tage wir noch aushalten können und wollen und unsere Antwort tendierte sehr zu ‚keinen einzigen‘. Leider sah der Wetterbericht für die nächsten Tage nicht viel besser aus. Der starke Wind würde bleiben - auch morgen wieder bis zu 80 km/h und auch regnen soll es immer wieder.


Die Nacht war dann ziemlich ungemütlich. Heftiger Platzregen legte sich mit unserer Zeltplane an und die Windböen nahmen sich das Gestänge vor. Aber unser Zelt war inzwischen gut trainiert und so ging der Kampf 1:0 für unser Zelt aus. Geschlafen haben wir trotzdem nicht sehr viel.


Als wir aufstanden, hatte es zum Glück aufgehört zu regnen. Wir schlüpften wieder in unsere nassen Klamotten. Mein Merinoshirt habe ich über Nacht mit in den Schlafsack genommen in der Hoffnung meine Körperwärme würde es trocknen. Hat zwar nicht ganz funktioniert, aber immerhin war es dann morgens warm. Die Fleecejacke war aber viel zu nass und wanderte deshalb in einer Tüte in den Rucksack. Damit fehlte heute eine Kleidungsschicht. Wegen meiner nassen Schuhe startete ich nochmal einen Versuch mit Plastiktüten. Vielleicht würden sie auf der Straße länger durchhalten. Unsere Handschuhe allerdings waren so voll mit Wasser, dass sie uns nichts bringen würden. Sie blieben deshalb ebenfalls im Rucksack und unsere Finger mutierten durch den kalten Wind bald zu Eiszapfen.


Wir liefen weiter durch das Repparfjorddalen direkt am Riehpovuonjohka entlang. Immer wieder kamen wir an relativ tot aussehenden Birkenwäldchen vorbei.




Nach nur einer Stunde setzte dann der Regen wieder ein. Da meine Regenhülle durch Gestrüpp zerrissen war und ich in Alta trotz drei verschiedene Sportläden keine neue bekommen habe, stülpte ich jetzt immer eine alte Einkaufstüte über den oberen Teil. Sah nicht schön aus, aber erfüllte seinen Zweck. So blieben zumindest die wichtigen Sachen im Deckelfach weitgehend trocken.



So liefen wir im Regengeprassel immer dem weißen Streifen folgend am Straßenrand entlang und fingen uns wieder einige Duschen von vorbei fahrenden LKWs ein.




Unsere Körper hatten wir wieder auf Autopilot geschaltet. Komplett selbstständig setzten unsere Beine immer einen Fuß vor den anderen, ohne dass wir darüber nachdachten. Um nicht ständig daran zu denken, wie lange diese Straße noch ist, lenkten wir unsere Gedanken mit einem Hörbuch ab. Das funktionierte vormittags immer ganz gut. Nachmittags brauchten wir dann aber etwas motivierenderes. Da half nur noch laute Musik ;) Heute hörte ich unsere Playlist an, die wir während der Tour erstellt und immer wieder erweitert haben. Jeder Song hielt andere Erinnerungen bereit. Es ist immer wieder beeindruckend wie ein Lied Gefühle und Erinnerungen speichern und beim Anhören direkt wieder hervorrufen kann. So schwelgte ich in den verschiedensten Erinnerungen und ließ unsere Tour vor meinem inneren Auge mit jedem Song nochmal Revue passieren.


So liefen wir, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, weiter durch den Regen und freuten uns über jeden Anstieg, damit uns warm wurde und wir die nassen Klamotten etwas aufwärmen konnten.


Ein österreichischer Bikepacker überholte uns. Er war ebenfalls auf dem Weg zum Nordkapp. Allerdings war es bei ihm nicht das Ziel sondern der Startpunkt seiner Reise. Von dort aus möchte er bis nach Malta radeln. Wahnsinn! Und das in dieser Jahreszeit. Wir plauderten ein bisschen und schimpften über unsere unzuverlässige Regenkleidung. Ihm war es gestern auch so gegangen, dass er am Ende des Tages komplett durchnässt war.


Irgendwann stand dann das nächste Schild am Straßenrand und wir freuten uns, dass die Zahl hinter ‚Nordkapp’ schon ein bisschen kleiner geworden war.



Unser Ziel heute war der kleine Ort Skaidi. Einen Kilometer davor stand ein kleines Infoschild, das unsere Laune gleich hob.



Die zwei Symbole zeigten genau das, was wir heute brauchten. Ein warmes Bett und was Leckeres zu essen. Ersteres fanden wir im Motel, das zum Skaidisenteret gehörte. Als wir dort ankamen, trafen wir den Österreicher wieder, der ab hier mit dem Bus zum Nordkapp weiter fuhr. Für uns gab’s dann erst mal einen Hotdog und Pommes als nachgeholtes Mittagessen.



Im Shop der Tankstelle des Skaidisenteret kauften wir dann auch gleich noch Proviant für die nächsten Tage. Der Laden war besser ausgestattet, als manche Supermärkte. Es gab wirklich alles, was man brauchte.


Das Motelzimmer war größer als gedacht und so hatten wir genug Platz um alle unsere nassen Sachen zum Trocknen auszubreiten.



Als wir dann am nächsten Morgen starteten, hatten wir sogar für ein paar Kilometer blauen Himmel. Mit nur 1° C war es aber trotzdem ziemlich frisch. Und so waren wir auch heute wieder mit drei Schichten Kleidung unterwegs. Das hatte aber auch was Gutes: Die Kleidung, die wir an hatten, mussten wir nicht im Rucksack tragen.





Die Landschaft sah ähnlich aus wie die letzten Tage auch, wirkte aber durch das Sonnenlicht gleich viel freundlicher und weniger trostlos. Leider waren die Sonnenstrahlen nur ein kurzes Vergnügen und der Himmel war bald wieder von Wolken verdeckt.


Die meiste Zeit verlief die Straße wieder schnurgerade und wir konnten sie viele Kilometer weit sehen, bis sie am Horizont verschwand. Diese Abschnitte waren mental die anstrengendsten. Also wieder Körper auf Autopilot, Kopfhörer rein und die Straße ausblenden.



Irgendwann zeigte uns wieder ein großes gelbes Schild, dass wir voran kamen: nur noch 137 Kilometer!



Wie auch die letzten Tage überholten uns immer wieder Busse, die von Alta aus zum Nordkapp fahren. Es waren immer die gleichen Busfahrer, die seit nun schon vier Tagen mehrmals täglich erst in die eine und dann in die andere Richtung an uns vorbei fuhren. Auch sie schienen uns inzwischen zu kennen und winkten uns jedes Mal fröhlich zu.


Auch einige Wohnmobil- und Autofahrer winkten uns, zeigten uns einen Daumen hoch oder hupten im Vorbeifahren. Wir freuten uns jedes Mal darüber.


Etwa 15 Kilometer nach Skaidi zweigte der Wanderweg ab. Wir haben aber schon in Skaidi beschlossen, dass wir weiter der Straße folgen werden. Da es viel geregnet hatte und auch in den nächsten Tagen noch viel regnen wird, wird der Weg wahrscheinlich stellenweise wieder ziemlich sumpfig sein. Darauf hatten wir einfach keine Lust mehr - auch wenn der Straßenweg wieder ein paar Kilometer mehr bedeutete.


Dann ging es langsam wieder bergab und wir liefen durch das Olderfjorddalen bis wir schließlich durch ein paar kahle Bäume hindurch vor uns das Meer erblickten.



Wir liefen weiter bergab und waren dann im kleinen Ort Olderfjord angekommen, das direkt am gleichnamigen Fjord liegt.



Wir schauten am Turistsenter vorbei, dort soll es ein Restaurant geben. Aber leider hatte es geschlossen. So machten wir nur kurz Pause auf einer Bank und gingen dann weiter. Den ganzen Tag waren wir eher ostwärts gelaufen, ab hier ging es nun endlich nur noch nordwärts!


Bald darauf beendete der Sonnenuntergang unseren Wandertag. Der fand inzwischen schon um 17.00 Uhr statt und die Zeit zum wandern wird immer weniger. Die untergehende Sonne tauchte die dicke Wolkenschicht in ein milchiges gelb.



Als wir am Smiervuonjohka gerade noch Wasser auffüllen wollten, fing es an zu regnen. Der war eigentlich erst für morgen angesagt. Wir beeilten uns, damit nicht heute schon alles nass wurde. Leider mussten wir dann aber feststellen, dass das Wasser salzig war. Wahrscheinlich floss es zu langsam und vermischte sich deshalb mit dem Fjordwasser. Also liefen wir so lange flussaufwärts, bis es nicht mehr salzig schmeckte. Dabei entdeckten wir dafür gleich einen guten Zeltplatz. Und kurz hatten wir sogar noch ein schönes Abendrot, bevor dann der nächste Schauer über uns hinweg zog. Aber da lagen wir zum Glück schon im Zelt.





Um 20:00 Uhr schauten wir nochmal kurz nach draußen, weil die Wahrscheinlichkeit für Polarlichter auf 30 % gestiegen und der Himmel nur noch leicht bewölkt war. Leider konnten wir aber nichts grünes am Himmel erkennen. Als wir wieder ins Zelt gingen, fiel uns auf, dass eine dicke Eisschicht auf der äußeren Zeltplane war. Die Regentropfen vom letzten Schauer waren komplett festgefroren.


Eine Stunde später wollten wir nochmal nachsehen. Fast konnten wir uns nicht mehr überwinden, den schon aufgewärmten Schlafsack nochmal zu verlassen. Gut, dass wir es doch getan haben: Direkt über dem Fluss sahen wir die grünen Streifen tanzen. Sie formten sich zu immer anderen Figuren. Obwohl der Himmel durch den Vollmond erhellt war, sah man die Nordlichter deutlich. Das Schauspiel war einfach magisch und wir hatten Gänsehaut.






Am nächsten Morgen wurden wir von Regentrommeln wach. Als wir losgingen, tröpfelte es nur noch, aber der Wind war ziemlich stark. Um nicht wieder nasse Socken zu bekommen, lief ich heute direkt schon mit zwei Plastiktüten in meinen Schuhen los.


Der Weg führte uns zuerst noch am Smørfjord entlang - einem kleinen Nebenarm des Porsangerfjord. Kurz durchbrach ein Sonnenstrahl die Wolkendecke und erzeugte einen hellen Streifen auf dem Wasser.





Als wir die kleine Bringnes-Halbinsel hinter uns ließen, öffnete sich der Blick auf den riesigen Fjord. Der Porsangerfjord ist der längste Fjord Nordnorwegens. Wir passierten ein paar Kiesbuchten. Am Horizont sahen wir die benachbarte Landzunge. Ein heller Streifen darüber ließ uns vermuten, dass das Wetter dort besser war.



Dann setzte wieder starker Platzregen ein. Die Windböen erreichten laut yr.no schon wieder Windstärken von 70 km/h. Wir mussten richtig gegen den Wind ankämpfen um die Spur halten zu können.



Wir liefen durch eine Baustelle vor dem Skarvbergtunnel. Hier wird gerade ein neuer Tunnel inklusive breitem Radweg gebaut. Schade, dass der noch nicht fertig war. So mussten wir den schmaleren alten Tunnel nehmen. Drei Kilometer mussten wir durch die dunkle, tropfende Röhre laufen. Das war mit dem Fahrrad schon kein Spaß. Zu Fuß schien der Tunnel einfach endlos.




Jedes heranfahrende Auto dröhnte durch den kompletten Tunnel und erzeugte einen ohrenbetäubenden Lärm. Viele Wohnmobile fuhren einfach mitten auf der Fahrbahn, so dass wir lieber jedes Mal auf den schlammigen Streifen am Rand auswichen und dort warteten bis sie vorbei waren. Da ziemlich viel Verkehr war, kamen wir so allerdings nur sehr langsam voran. Ein Gutes hatte es aber: Im Tunnel gab es weder Regen noch Sturm ;) Trotzdem waren wir heilfroh, als wir eine Dreiviertelstunde später endlich wieder Tageslicht erblickten.


Unsere Füße brauchten danach eine kurze Pause. Wir setzten uns ein paar Minuten im Regen auf die Betonmauer bis uns wieder zu kalt wurde und wir wieder Bewegung brauchten.



Beim Blick zurück sahen wir die mächtigen Klippen, durch die wir gerade hindurch gelaufen waren. Auch der weitere Weg führte uns an steil aufragenden Klippen entlang.




Eigentlich wäre die Landschaft echt beeindruckend. Aber wir waren einfach zu erschöpft, um sie richtig wahrzunehmen. Der Wind war kaum auszuhalten. Wir waren komplett durchnässt. Es war eiskalt. Und alles tat uns weh. Wir liefen seit Alta jeden Tag durchschnittlich 30 Kilometer ohne richtige Pausen. Das merkten wir langsam in jedem Muskel und jeder Sehne. Auch unser letzter Pausentag ist schon wieder 10 Tage her.




Es folgte noch ein zweiter Tunnel, der uns wieder eine kurze Regen- und Windpause verschaffte. Er war heller und auch breiter als der erste und wir konnten auf einem kiesigen Randstreifen wandern.




Das Schild mit der aktualisierten Entfernung steigerte unsere Laune dann für einen kurzen Moment. 141 Kilometer haben wir seit Alta schon wieder zurück gelegt.



Aber schon die nächste starke Windböe hat dieses euphorische Gefühl wieder fort geblasen. Wir hatten einfach keine Kraft mehr.



Der Gedanke daran heute wieder im nassen Zelt zu schlafen, ließ uns noch mehr frieren. Es bei dem Wind aufzubauen wäre ohnehin schwierig und viel Schlaf werden wir bei dem Sturm auch wieder nicht bekommen. An einem Rastplatz kamen wir kurz mit einer deutschen Familie ins Gespräch. Als wir erwähnten, dass wir die letzten Tage im Zelt schliefen, sahen sie uns an, als hätten wir nicht mehr alle Tassen im Schrank. Vielleicht stimmt das ja ;)


Wir quälten uns noch durch die restlichen Kilometer, bis wir die 30 für heute geschafft hatten. Dann überlegten wir, was wir jetzt tun sollen. Mit dem Gedanken, im Zelt zu schlafen, konnten wir uns heute beim besten Willen nicht anfreunden. Dafür waren wir einfach viel zu durchgefroren und unsere Kleidung viel zu nass. Wir hätten morgen wieder kaum trockene Kleidungsstücke zum wandern. Und wir konnten ja kaum gerade stehen mit den starken Windböen. Wie sollen wir da das Zelt aufbauen... Eine Unterkunft gab es hier aber weit und breit nicht - erst wieder in Honningsvåg...

Und noch bevor uns unsere Egos und unser Ehrgeiz dazwischenfunken konnten, streckten wir schon den Arm zur Straße hin mit dem Daumen nach oben. Doch die erste dreiviertel Stunde würdigten uns die vorbei fahrenden Autofahrer keines Blickes. Vielleicht sahen wir ihnen zu nass aus. Doch dann blieb ein silberner Kombi stehen. Gottseidank! Eine Welle der Erleichterung durchströmte uns. Eine Norwegerin, die in Honningsvåg lebt und gerade auf dem Nachhauseweg war, wollte uns mitnehmen, obwohl in ihrem voll bepackten Auto eigentlich gar kein Platz für uns war. Die Rucksäcke nahmen wir auf den Schoß. Ich teilte mir die Rücksitzbank mit einem wuscheligen schwarzen Hund, der als Entschädigung dafür, dass ich ihm seinen Platz wegnahm, ein paar Krauleinheiten bekam. Die Landschaft zog an uns vorbei und es war irgendwie ein seltsames Gefühl, plötzlich wieder so schnell unterwegs zu sein. Die Norwegerin erzählte uns, dass gerade die ganzen Rentiere von Magerøya mit Lastwägen nach Kautokeino gebracht werden. Dort überwintern sie und im Frühjahr werden sie wieder hoch gebracht. Im Sommer ist es dort oben für sie angenehmer, weil es kühler ist und es kaum Mücken und Fliegen gibt. Wir fragten wie es für sie ist, wenn es jetzt so lange Zeit nicht mehr hell wird. Sie antwortete, dass sie das gar nicht schlimm sondern sogar ziemlich schön findet. Der Himmel nimmt dann die unterschiedlichsten Blautöne an und das Licht in dieser Zeit wäre ziemlich besonders. Das konnten wir uns sogar richtig gut vorstellen. Sie erzählte uns auch noch, wie es hier ist, wenn richtig viel Schnee liegt. Es wäre gar nicht so leicht für die Räumfahrzeuge überhaupt zu wissen, wo unter dem ganzen Schnee mal die Straße war.



Dann waren wir in Honningsvåg angekommen. Wir konnten ihr gar nicht genug danken, dass sie uns mitgenommen hatte!


An der Rezeption des Hotels wurden wir super nett empfangen und direkt auf unsere Tour angesprochen. Scheinbar kommen hier öfter mal NPLer vorbei. Sie meinte, immer wenn sie so verrückte Wanderer trifft, denkt sie sich, es gibt doch leichtere Länder, die man durchqueren könnte. Da hatte sie Recht - aber kaum welche, die landschaftlich so schön und so vielseitig sind!


Obwohl wir schon eine dreiviertel Stunde im warmen Auto saßen, waren wir immer noch so nass, dass wir eine Pfütze an der Rezeption hinterließen.


Im Zimmer schälten wir uns sofort aus den nassen Klamotten und stellten unsere schmerzenden Körper unter den heißen Wasserstrahl der Dusche. Manchmal kann eine heiße Dusche der größte Luxus der Welt sein!


Dann kuschelten wir uns mit einer Tüte Trekkingnahrung in die weichen Betten und waren einfach nur froh, jetzt hier zu sein! Draußen heulte der Wind ums Gebäude und der Regen prasselte weiter laut gegen die Fenster. Für uns war von Anfang an klar, dass wir nicht um jedes Preis jeden Meter dieser Tour selbst zurück legen müssen - vor allem nicht, wenn es uns nicht gut ging. Die Tour sollte vor allem eins: Spaß machen! Und das tat sie in den letzten Tagen kaum mehr. Wir möchten die Tour positiv und mit schönen Erinnerungen abschließen und nicht mit negativen.



Erst am Morgen ließen Regen und Wind dann allmählich nach.


Wir packten alle inzwischen wieder trockenen Sachen zurück in unsere Rucksäcke, zogen uns warm an und standen dann um 10 Uhr vor dem Hotel - bereit zum Aufbruch. Und ein bisschen aufgeregt. Jetzt werden wir morgen schon am Nordkapp sein. Einen Tag eher als geplant. Das waren jetzt also wirklich die letzten zwei Tage unserer langen Tour! Der Start in Lindesnes schien ewig weit weg, fast so, als wäre es eine andere Reise gewesen. Wir haben uns vorgenommen, die verbleibenden 32 Kilometer aufzuteilen und die zwei Tage jetzt noch richtig zu genießen - egal was das Wetter macht. Wir waren wieder aufgewärmt und freuten uns auf den letzten Abschnitt.


Wir warfen noch einen Blick auf das ruhig im Morgenlicht unter uns liegende Honningsvåg und liefen dann weiter nach Norden.




Der Autopilot blieb heute aus. Ganz bewusst setzten wir einen Fuß vor den anderen und versuchten unsere Umgebung nochmal mit allen Details wahrzunehmen. Es ging wieder durch schroffe Berge direkt am Kamøyfjorden entlang. Ein Wasserfall sprudelte links von uns den zerklüfteten Hang hinab. Möwen zogen langsam ihre Kreise über uns.





Der Himmel war nur leicht bewölkt. Aber es bließ wieder ein starker Wind mit der üblichen hohen Windgeschwindigkeit.



Dann kamen wir an einer kleinen Bucht vorbei. Rechts davon lag eine kleine Insel mit roten Häuschen im Wasser. Die Landschaft war einfach traumhaft.





Dann ging es etwa drei Kilometer lang bergauf. Es war so kalt, dass es nicht mal der Anstieg schaffte, uns aufzuwärmen. Aber davon wollten wir uns ja heute nicht ärgern lassen. Wir genossen die herrliche Aussicht zurück auf die kargen Berge und die dazwischenliegenden Fjorde und Seen.





Wir wunderten uns, dass wir uns daran überhaupt nicht mehr erinnern konnten. Erst als wir in einer weitläufigen kargen Hochebene angekommen waren, kamen Bilder in unserem Gedächtnis hoch. Deshalb haben wir also gedacht, dass die Gegend hier so flach war. Unsere Erinnerungen an die Landschaft hier basierten auf einer Hochebene. Aber umso schöner war es für uns, von dieser atemberaubenden Landschaft von Neuem überrascht zu werden.




Das nächste Schild mit der verbleibenden Entfernung versetzte uns einen kleinen Stich. Waren es jetzt wirklich nur noch 20 Kilometer? Das kam uns so unwirklich vor.



Drei Kilometer weiter kamen wir an einem Rastplatz mit Bänken vorbei und nutzten die Gelegenheit, unseren Füßen eine kurze Pause zu gönnen. Wir blickten auf den Tufjorden vor uns. Rechts davon ragte die Landzunge aus dem Wasser, an dessen Ende sich das Nordkap befindet.




Dann ging es wieder bergab. Die untergehende Sonne durchbrach die Wolkendecke kurz und tauchte die strohigen Gräser in goldenes Licht.




Als Übernachtungsplatz suchten wir uns einen kleinen namenlosen See aus. Und eine Reihe von letzten Malen begann, wie uns schmerzlich bewusst wurde. Ein letztes Mal das Zelt aufstellen. Ein letztes Mal unsere Isomatten aufblasen. Ein letztes Mal im Vorzelt Abendessen kochen. Ein letztes Mal in unseren kuscheligen Schlafsäcken liegen. Ein letztes Mal im Zelt frühstücken. Aber auch ein letztes Mal das nasse Zelt trocken wischen. Ein letztes Mal vor Kälte kaum ein Auge zu tun. Und ein letztes Mal mit eingefroren Fingern das nasse Zelt bei eisigen Windböen wieder abbauen. Das machte es uns ein bisschen leichter.





Die Nacht über hatte es viel geregnet. Der Morgen war düster, kalt und wieder extrem stürmisch, aber immerhin trocken. Wir schulterten unsere Rucksäcke und mit einer Mischung aus Wehmut, Vorfreude und Aufregung liefen wir los.



Es ging direkt in einen fünf Kilometer langen Anstieg. Wir stellten fest, dass unsere Kondition inzwischen tatsächlich so gut war, dass uns das gar nichts mehr ausmachte.



Immer weiter ging es bergauf durch die einsame Landschaft. Diese karge Gegend und das raue Wetter machten es irgendwie realistischer, dass wir wirklich im nördlichsten Gebiet Europas angekommen waren.



Hin und wieder schaffte es ein Sonnenstrahl durch die dunklen schweren Wolken und zauberte ein magisches Licht auf die Landschaft.



Wir waren wieder in einer Hochebene gelandet. Den Verlauf der Straße sahen wir kilometerweit vor uns. Links von uns lag wieder der Tufjorden, den wir gestern schon von der anderen Seite aus sehen konnten. Unser Weg führte uns dann aber nach rechts weg. Von da aus ging es dann schnurgerade aus bis zum Ende der Insel.







Auf der rechten Seite sahen wir bereits das offene Meer. Es waren jetzt nur noch ein paar hundert Meter bis zum Ziel. Unsere Schritte wurden langsamer. Waren wir schon bereit, anzukommen? Irgendwie schon und irgendwie auch nicht - aber der starke und eiskalte Wind trieb uns trotzdem weiter in diese Richtung.




Wenig später zeigte uns ein kleines blaues Schild, dass wir da waren. Wir liefen noch bis ans Ende der schroffen Felskante und dann stand sie vor uns: die große schwarze Weltkugel!




Wir standen davor und sahen zu ihr hoch ohne richtig zu kapieren, was das für uns bedeutete. Wir mussten es uns immer wieder selbst sagen, in der Hoffnung, wir würden es dadurch realisieren. Wir haben es geschafft! Wir haben es tatsächlich aus eigener Kraft bis ans Nordkapp geschafft!

Und dann zog auch noch der Himmel auf und die tiefstehende Sonne schien uns ins Gesicht. Es war ein wirklich magischer Moment!





Ehrlich gesagt hatten wir beide seit unserer Verletzungspause in Geilo nicht mehr wirklich damit gerechnet. Während der ganzen Fahrradetappe und auch nach unserem Wiedereinstieg ins Wandern hatte meine Achillessehne immer wieder Probleme gemacht und wir sahen jeden einzelnen Tag, den wir noch unterwegs sein konnten, als Bonus an. Und jetzt standen wir tatsächlich hier - und beendeten unsere Tour an dem Punkt, an den wir es vor über einem Jahr geplant hatten.


Den ganzen Weg heute fragte ich mich, wie wir uns fühlen werden, wenn wir tatsächlich am Nordkapp stehen - erleichtert oder traurig? Ich hatte erwartet, dass uns die Gefühle überrennen würden, wenn wir die stählerne Kugel erblickten. Tatsächlich fühlten wir uns aber irgendwie leer.


Es gab noch ein letztes Kvikklunsj, das wir extra bis hierher mitgenommen hatten. Wir schauten auf das ewige Eismeer hinaus und versuchten uns vorzustellen, dass irgendwo ganz hinten auf der anderen Seite des Ozeans der Nordpol liegt - genau genommen in 2093 Kilometern ab hier. Das war weniger, als wir auf unserem Weg von Lindesnes hierher zurück gelegt hatten!






Dann setzten wir uns mit einer Waffel ins leere Café und blickten nach draußen - immer noch in dem Versuch, das alles zu realisieren.



Ein junges Paar sprach uns an und fragte uns, wie lange wir unterwegs waren und wo wir gestartet waren. Sie machten große Augen als wir es erzählten. "Wow!" "Respect!" und "Very krass!" waren ihre Antworten. Bei "Very krass" mussten wir grinsen.


Wir wollten dann eigentlich zurück nach Honningsvåg trampen. Aber bei nur zwei Autos am Parkplatz schätzten wir unsere Chancen ziemlich gering ein und fragten bei einem der Reisebusse nach.


Die Rückfahrt nach Alta dauerte dann knapp sechs Stunden. Drei mal mussten wir umsteigen. Nach und nach trudelten die ersten Glückwünsche ein. Und endlich fingen wir langsam an, zu realisieren, dass unsere Tour jetzt wirklich zu Ende war.


Während wir mit dem Bus die Strecke, die wir in den letzten Tagen gelaufen waren, rückwärts nochmal entlang fuhren, wurden wir plötzlich von so vielen Emotionen überflutet. Ich sah uns aus dem Busfenster, wie wir die Straße entlang wanderten, gegen den Wind kämpften, an unseren Campspots gerade das Zelt aufbauten, im Tunnel dem vorbeirasenden Bus auswichen und in Skaidi ausgehungert unsere Hotdogs aßen... Ein dicker Klos war in meinem Hals entstanden und immer wieder stiegen mir Tränen in die Augen - vor Freude und Erleichterung, die Strapazen endlich hinter uns zu haben, vor Stolz, dass wir es trotz allen Umständen geschafft haben, vor Trauer, dass dieses große Abendeuer jetzt vorbei war und vor Dankbarkeit, all das erlebt haben zu dürfen.


Vor genau fünf Monaten waren wir in Lindesnes gestartet. Und nun 154 Tage und 2751 Kilometer später ist er tatsächlich da, der letzte Tag dieses großen Abenteuers und dieser unglaublichen Tour!

Einer Tour, die uns so oft an unsere Grenzen brachte, uns verzweifeln ließ und uns mehr herausforderte, als wir je erwartet hätten… aber die noch viel öfter unsere Herzen vor Freude schneller schlagen ließ! Einer Tour, die so viele magische Momente enthielt, dass wir sie nicht mehr zählen können. Einer Tour, auf der wir so viele wunderbare Menschen kennen lernen durften. Einer Tour, die uns so oft mit Dankbarkeit erfüllte. Die uns so viel über uns selbst lehrte. Und die uns immer wieder zeigte, wie wunderschön diese Welt ist!



























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